Apostroph

von Christoph Koeberlin

Der Apostroph ist ein faszinierendes Zeichen, denn bei keinem anderen stehen Notwendigkeit und Häufigkeit in so großem Missverhältnis! Eigentlich könnte er also stolz sein, dass die Menschen ihn so lieben, wäre da nicht der unrühmliche Spitzname, den er sich in den vielen falschen, oft lächerlichen Anwendungen erworben hat: »Deppen-Apostroph«.

Um ihn nicht völlig der Lächerlichkeit preiszugeben, könnte man es kurz machen:

Die radikale Lösung

Weg damit! Eigentlich würde ihn niemand vermissen; Wo er hingehört, wird oft ein falsches Zeichen verwendet und wo er nicht hingehört, ist er am häufigsten anzutreffen – auch mit falschem Zeichen. Und so finden sich sowohl in Deutschland (»Verzichten sie grundsätzlich auf Apostrophe. [Sie] stören das Schrift­bild; sie stiften mehr Unruhe, als sie beim Le­sen helfen«) als auch sogar im englischsprachigen Raum (»My position is that the apostrophe is on the way out.«) Befürworter dieser Radikalkur. Aber erstens geht das nicht immer und zweitens wäre es auch ungerecht, wegen häufigen Missbrauchs gleich das ganze Zeichen abzuschaffen. Dann lieber in Maßen verwenden – und richtig.

Die fachgerechte Lösung

Kein Apostroph

Da beim Apostroph der Wiedererkennungswert der falschen Zeichen und deren falscher Verwendung oft höher sein dürfte, fange ich damit an:

'
Einfaches Kodierungszeichen
U+0027
⇧ + #
⇧ + #

Kein Apostroph: Am einfachsten zu erreichen und gleichzeitig mit dem geringsten Nutzen. Allenfalls als Ersatz für das Fuß-/Minutenzeichen legitim, sollte man das einfache Kodierungszeichen am besten grundsätzlich meiden (Ausnahmen: E-Mails, Code, Schreibmaschinensatz u. Ä.).

´
Akut
U+00B4
´
´
`
Gravis-Akzent
U+0060
⇧ + ´
⇧ + ´

Kein Apostroph: Die Akzente sind zwar auch relativ leicht zu erreichen, haben aber keine Funktion, solange sich kein Buchstabe unter ihnen befindet.

Fuß-/ Minutenzeichen
U+2032

Kein Apostroph: Das echte Fuß-/Minutenzeichen ist noch schwieriger erreichbar als der Apostroph, deshalb wird es auch höchst unwahrscheinlich als falscher Apostroph in Erscheinung treten. Näheres im Grad, Fuß, Zoll, Minuten, Sekunden-Artikel.

Anführungszeichen (einfach schließend)
U+2018
⌥ + #
Alt + 0145

Kein Apostroph: Wir kommen der Sache zwar schon näher, liegen aber immer noch knapp daneben. Im Englischen ein einfaches öffnendes Anführungszeichen, im Deutschen ein einfaches schließendes, ist dieses Zeichen im Grunde ebenso schwierig erreichbar wie der echte Apostroph, aber als vermeintlich korrekter »InDesign-Apostroph« trotzdem omnipräsent …

Der »InDesign-Apostroph«

Tippt man in InDesign (und anderen »schlauen« Programmen) ein einfaches Kodierungszeichen direkt hinter einem Buchstaben, will das Programm besonders schlau sein und setzt ein einfaches schließendes Anführungszeichen.

Am »InDesign-Apostroph« erkennt man Designer, die sich blind auf ihr Programm verlassen – achtet mal drauf!

Der richtige Apostroph

Apostroph
U+2019
⇧ + ⌥ + #
Alt + 0146

Jetzt aber. Der richtige Apostroph hat die Form einer 9 (mit gefüllter Punze), und das ist auch die gebräuchliche Faustregel. Im Deutschen gibt es das Zeichen zwar im Gegensatz zum Englischen nicht als Anführungszeichen, er kann aber vor allem bei alten Texten mit vielen Auslassungen dennoch verwirrend wirken (s. Artikel »Anführungszeichen«) – einer der Kritikpunkte der Apostrophen-Gegner.

Die Eselsbrücke funktioniert allerdings nicht immer. Vor allem bei serifenlosen Schriften kann die Form des Apostrophs abweichen; dort hat er oft die Gestalt eines nach rechts geneigten, oben etwas fetteren Striches, der allerdings nicht allzu weit von der 9 entfernt ist. Hier einige Varianten:

Verwendung (1): Falsch

Fangen wir auch hier am besten damit an wie er nicht verwendet werden sollte – also mit den klassischen »Deppen-Apostroph«-Fällen.

Nicht vor dem Genitiv-s!

Der »Wessen«-Fall braucht – im Gegensatz zum Englischen – im Deutschen keinen Apostroph.

Schrift: GT Walsheim

Ausnahmen

Er darf zur Verdeutlichung verwendet werden, wenn das Wort in der Grundform (Nominativ) auf -s auslautet.

Schrift: Pluto​

Im Deutschen gilt das neben der Endung -s auch für -ss, -ß, -tz, -z und -x, außerdem für Fremdwörter auf -ce und -th: »Alice’ bester Freund«

Außerdem darf die Regel wie jede gebrochen werden, wenn es dem Zweck dienlich ist: Ein American Diner sieht auch in Deutschland mit Apostroph amerikanischer aus: »Robert’s Diner« Und wenn die Grundform verdeutlicht werden kann, drückt auch der strengste Typograf ein Auge zu: »Luca’s Osteria« statt »Lucas Osteria«

Aus technischen Gründen darf z.B. auf Twitter ein Apostroph vor das Genitiv-s, sonst wird das s fälschlicherweise als Bestandteil des Twitternamens erkannt und falsch verlinkt:

Um dies zu umgehen gibt es aber auch eine Lösung: das breitenlose Leerzeichen. Einen leichten Zugriff erhält man über unseren Alfred Workflow.

Nicht beim Imperativ

Hör zu! Beeil Dich! Nimm! Pass auf! Geh weg! Beweg Dich! Laß (lass) das! – Alle Aufforderungen bitte ohne Apostroph.

Nie vor dem Plural-s und anderen Wörtern mit s am Ende!

Schier unerschöpflich ist der Reichtum an Absurditäten, von denen der Apostroph vorm Plural-s fast noch am harmlosesten ist:

Schrift: Trim​

Nicht unbedingt vor »-sche«

Nach der neuen Rechtschreibung kann die Silbe »-sche« vom (dann großgeschriebenen) Namen abgetrennt werden. Ohne Apostroph ist es jedoch nie verkehrt:

Schrift: GT Walsheim

Verwendung (2): Richtig

Der Apostroph als Auslassungszeichen

Laut Forssman / de Jong ist die einzige Bestimmung des Apostrophs die Funktion als Auslassungszeichen. Er ersetzt nicht dargestellte Buchstaben und wird – ohne Leerräume – gesetzt wie diese:

statt »Auf geht es nach Kaiserslautern!« Schrift: Elena​

Bei Verschmelzungen von Präpositionen und Artikeln ist jedoch schwer nachzuvollziehen, wo ein Apostroph stehen darf und wo nicht; Nicola Pridik hat eine gute Übersicht zusammengestellt:

  • Ohne Apostroph: am, beim, im, vom, zum, hinterm, überm, unterm, vorm, hintern, übern, untern, vorn, zur, ans, ins, aufs, durchs, fürs, hinters, übers, unters, vors, ums
  • Mit Apostroph: auf’m, aus’m, für’n, in’n, nach’m, durch’n, auf’n, für’n, gegen’s, mit’m, nach’m

Ein gutes Beispiel zur sprachlich sauberen Umsetzung gibt es auf Christian Wölleckes Lektorats-Blog.

Bedeutend häufiger kommt der Apostroph als Auslassungszeichen im Englischen und Französischen vor:

Schrift: Pluto​

Kerning

Unter anderem am sorgfältigen Kerning (auch »Unterschneidung«) des Apostrophs lässt sich ein guter Font erkennen, siehe dazu auch den Kerningtest. Löcher wie in der Kombination »L’A« und Kollisionen wie bei »f’s« sollten vermieden werden:

Schrift: Elena

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