Auszeichnung

von Christoph Koeberlin

Als Auszeichnung bezeichnet man das Hervorheben von Textstellen mit typografischen Mitteln. Ob zur Betonung, zum Kennzeichnen von Eigennamen oder Fremdwörtern, für wörtliche Rede, zum schnellen Auffinden bestimmter Begriffe … Vieles kann auf unterschiedlichste Art und Weise ausgezeichnet werden.
Und wo der Fantasie kaum Grenzen gesetzt sind und die Möglichkeiten entsprechend dankbar ausgeschöpft werden, entzündet sich natürlich traditionell gern des Typografen Erregung …

»Die Sucht, fast die Hälfte der Wörter auszuzeichnen, […] läßt den Leser meinen, er werde für schwachsinnig gehalten.«

— Jan Tschichold, Schriften II

Hans-Peter Willberg empfiehlt gründlich zu überlegen, welche Auszeichnung im jeweiligen Fall passt. Laut Robert Bringhurst sollte man nur einen Parameter auf einmal ändern, also im Kontext eines Regular-Schnitts besser nicht fett-kursiv-unterstrichen hervorheben – eins davon reiche aus.
Jost Hochuli gibt zu bedenken, dass Auszeichnung größerer Textmengen eher abschreckend wirkt und die Lesbarkeit verringert. Und auch Jan Tschichold ruft – wie oben zitiert – zur Mäßigung auf; andererseits offenbare zu wenig Hervorhebung (und somit Verdeutlichung) einen erschreckenden Mangel an Höflichkeit dem Leser gegenüber.

Verschieden laute Auszeichnung eines Wortes

Um ein wenig Ordnung in die vielen Möglichkeiten zu bringen, hat Willberg die sinnvolle Unterscheidung zwischen integrierter und aktiver Auszeichnung geprägt, die ich hier auch gern als Leitfaden aufnehme:

Integrierte Auszeichnung

Integrierte Auszeichnung passt sich unauffällig dem Grauwert des Textes an. Der Leser soll sie erst bemerken, wenn er an der entsprechenden Stelle angekommen ist – typischerweise in belletristischen Werken.
Tschichold schätzt die „kleine Unruhe“, die die Auszeichnung stiftet; sie „erleichtert die Aufnahme des Wortes, belebt in angenehmer Weise“.

Kursive

CSS: font-style: italic;

Wie im Wimmelbuch: Eine gute Kursive fällt im Lesetext erst auf, wenn man an der entsprechenden Stelle angelangt ist

Die Kursive ist die klassische integrierte Auszeichnung für Ausrufe, leichte Betonungen, Namen, Begriffe etc. Um zu große Unruhe im Satz zu vermeiden, wird statt vieler Anführungszeichen gern kursiv gesetzt.
Und immer daran denken: Kursiv ist nicht gleich schräggestellt! Eigener Artikel folgt.

Kapitälchen

CSS: font-variant-caps: small-caps; / font-variant-caps: all-small-caps;

Die kleinen Großbuchstaben sind nicht einfach skaliert, sondern in Größe und Strichstärke an die Kleinbuchstaben angepasst. Sie wirken starrer als die Kursive und werden z.B. für Eigennamen, Begriffe, Bauwerke und die Wiedergabe von Inschriften verwendet. Vor allem bei Eigennamen wird eine Mischschreibweise aus Versalien und Kapitälchen empfohlen, damit klar bleibt, was groß geschrieben wird. Eigener Artikel folgt.

Aktive Auszeichnung

Aktive Auszeichnung sieht der Leser auf den ersten Blick, die Aufmerksamkeit wird direkt auf die hervorgehobenen Stellen gelenkt. Ob einfach klassisch fettgedruckt oder leuchtfarben-blinkend – je nach Intention ist hier der Fantasie und Lautstärke keine Grenze gesetzt.

(Halb-)Fette

CSS: font-weight: 700;

Fette Lemmata im Stowasser

Wenn’s deutlich sein soll, wird gern auf den B-Button gedrückt. Doch gerade hier droht die Gefahr, dass das Programm die Schrift künstlich verfettet.
Fette Varianten von Schriften kamen erst im 19. Jahrhundert in Mode und werden daher von Traditionalisten verschmäht. Zudem lässt die schiere Lautstärke Typografen nervös werden: Laut Tschichold geht es nicht um Differenzierung, sondern um Blickfang, und Renner mahnt, die Fette nicht ohne triftigen Grund einzusetzen.
Triftige Gründe gibt es jedoch; beispielsweise Lemmata in Nachschlagewerken.

Versalien

CSS: text-transform: uppercase;

Auszeichnung mit Versalien. Ziemlich laut.

Im Gegensatz zum Bleisatz kann die Wirkung von Wörtern in Großbuchstaben (Versalien) heute durch Größenänderung leichter abgemildert werden; Allerdings sollte laut Willberg die Veränderung der Strichstärke bedacht werden. Kapitälchen sind zu bevorzugen. Siehe auch Ungewollte Auszeichnung

Sperren

CSS: letter-spacing

Im Fraktursatz war Sperrung üblich. Die ck-Ligatur bleibt erhalten.

Laut Paul Renner die (damals) „bekannteste, aber auch schlechteste“ Art der Auszeichnung, die dazu tendiert, helle Streifen in die Zeilen zu reißen und die Lesbarkeit zu verringern. Tschichold erlaubt im Antiquasatz nur die Sperrung von Versalien und Kapitälchen. Als dekoratives Element laut Willberg eventuell sehr reizvoll. (Auf Ligaturen achten!)

Schriftmischung

Raffinierte Schriftmischung von Martin Z. Schröder für Max Goldt

Andere Schrift(en) als Hervorhebung zu wählen, kann sehr reizvoll sein. Während man zuerst an wilde Schriftmischungen im Display-Satz denkt, ist aber auch mit etwas Fingerspitzengefühl integrierte Auszeichnung im Lesetext möglich – sofern die Schriften harmonieren, sich aber auch nicht zu ähnlich sind.

Unterstreichen

CSS: text-decoration: underline; / border-bottom

Der Unterschied zwischen Unterstreichung und Border. In manchem Browsern wird die Stärke der Unterstreichung nicht korrekt aus dem Font ausgelesen, weshalb Border die bessere Wahl sein kann.

Beim Unterstreichen gilt es zu beachten, dass Unterlängen nicht abgeschnitten werden. Moderne Programme erledigen das zum Teil automatisch, zur Sicherheit kann jedoch auch einfach tiefer unterstrichen werden.
Im digitalen Kontext signalisiert die Unterstreichung einen Link.

Schriftunabhängige typografische Elemente

Schon die Unterstreichung ist schriftunabhängig, aber noch sehr brav. Gerade im digitalen Kontext kann man aber mit Schriftgröße, Durchstreichung, Farbe, Animation, Perspektive, Sound etc kreativer werden als es die Fachbuchautoren für möglich gehalten bzw befürchtet hätten.

Auszeichnung im unformatierten Text

Ausgerechnet die heute am meisten verbreiteten Kommunikationsmittel bieten leider keine Möglichkeit zur Auszeichnung. In Social Media und Messenger-Diensten wird deshalb entweder behelfsmäßig auf *Sternchen* zurückgegriffen, oder es werden abgelegene Unicode-Bereiche zweckentfremdet.
Das Wort „ausgezeichnet“ zum Beispiel kann mithilfe von Diensten wie Unicode Text Converter fett (𝗮𝘂𝘀𝗴𝗲𝘇𝗲𝗶𝗰𝗵𝗻𝗲𝘁), faux-kursiv (𝘢𝘶𝘴𝘨𝘦𝘻𝘦𝘪𝘤𝘩𝘯𝘦𝘵) oder auf viele andere Arten (🅰🆄🆂🅶🅴🆉🅴🅸🅲🅷🅽🅴🆃, 𝖆𝖚𝖘𝖌𝖊𝖟𝖊𝖎𝖈𝖍𝖓𝖊𝖙, ʇǝuɥɔıǝzǝƃsnɐ) dargestellt werden.
Sieht zwar oft lustig aus, die zugrundeliegende Textinformation (und damit Barrierefreiheit) geht dabei allerdings verloren. Weder Screenreader noch die Suchfunktion funktionieren (probiere mal, auf dieser Seite nach dem Beispielwort zu suchen), und oft können die Zeichen beim Empfänger gar nicht dargestellt werden.

GOtt und die gebrochene Schrift

Während der Umgang mit gebrochener Schrift heute meist weniger streng gehandhabt wird und die Möglichkeiten größer sind (s. Eskapade), war die einzige Auszeichnungsmöglichkeit im traditionellen Kontext die Sperrung. Da nicht in Versalien gesetzt wurde, Gott jedoch besonders hervorgehoben werden sollte, wurde es üblich, die ersten beiden Buchstaben versal zu setzen, was heute oft für Irritationen sorgt.

„HErr“ und „GOtt“ in einer Bibel von 1553. Bild: Flickr/Provenance Online Project via Florian Hardwig.

Satzzeichen

Laut Robert Bringhurst gilt die Hervorhebung nur den Wörtern; Satzzeichen sollen in der Grundschrift bleiben.
Forssman/de Jong differenzieren: Nach fetter Schrift sollten Satzzeichen generell auch fett sein, ansonsten spationiert.
Für Klammern und Anführungszeichen gelte, dass sie mit fettem Inhalt fett sein dürfen, innerhalb fetten Kontextes fett sein müssen.

Ungewollte Auszeichnung

Wie in diesem Artikel gezeigt hat man sehr viele verschiedene Möglichkeiten, wenn man etwas hervorheben möchte – aber manchmal passiert es auch unbeabsichtigt.
Vielen ist nicht bewusst, dass Großbuchstaben und – wie oben erwähnt – Großbuchstabenziffern im Lesetext herausstechen. Natürlich: Wenn jemand SCHREIT, setzt man es gern in Großbuchstaben. Aber wenn es z.B. um Akronyme wie unesco geht oder um 1990–2020, wird oft ungewollt geschrien. Darum besser Mediävalziffern und Kapitälchen nutzen.

Die Versalien und Versalziffern im oberen Abschnitt springen ins Auge, während sich Kapitälchen – hier sogar in zwei Größen – und Mediävalziffern harmonisch einfügen.

Cover: The Power of Words, gestaltet von David Pearson.
Verwendete Schrift: Romaine von Aad van Dommelen, erschienen bei Fontwerk.

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