Anführungszeichen
von Christoph KoeberlinEs gibt kaum eine Sache, die häufiger falsch gemacht wird als unsere liebevoll »Gänsefüßchen« genannten Anführungszeichen. Das liegt zum einen an Unkenntnis, zum anderen aber natürlich auch einmal mehr an unserer urzeitlichen Tastatur, die die korrekten Zeichen gut versteckt hält.
Letzteres ist mit der Tastaturkürzel-Übersicht von Typefacts kein Problem mehr, aber was die mangelnde Kenntnis angeht …
Anführungszeichen werden zum Zitieren von Textpassagen, zur Ironisierung und Distanzierung genutzt. Zur Verschachtelung gibt es einfache und doppelte Anführungszeichen.
»Eselsbrücke: 99 unten, 66 oben!«
Im Deutschen sitzt das öffnende Anführungszeichen unten, weshalb die Verwendung des doppelten Kodierungszeichens gleich doppelt falsch ist: Weder Position noch Form stimmen. Dabei ist die Regel eigentlich ganz einfach: 99 unten, 66 oben! Die Zeichen sind eben nur etwas versteckt …
Robert Bringhurst empfiehlt, möglichst wenig Anführungszeichen zu verwenden und stattdessen – wo sinnvoll – kursiv zu setzen. Auch Jan Tschichold nennt das Anführungszeichen »deutlich wohl, aber nicht gerade satzverschönernd« (Schriften 1947–1974 Band 2, S. 185).
Warum nicht einfach "so"?
Es läge nahe – Jeder macht es, man hat sich schon fast daran gewöhnt und am schnellsten geht es auch noch, da die doppelten Kodierungszeichen – Schreibmaschine sei Dank – über Umschalt + 2 einfach zu erreichen ist. Fast alle Quellen heben nur den Zeigefinger und erklären, dass es falsch ist, aber warum es falsch ist, erklärt eigentlich nur Hans Peter Willberg (Typolemik, S. 127): Es führt schlicht und einfach zu Verwirrung; Man verliert den Überblick, wo gerade wörtliche Rede anfängt und wo sie aufhört. Und alles, was das störungsfreie Lesen behindert, widerspricht dem Sinn der Typografie: dem Leser dienen.
Guillemets – Die elegante Variante
Die »französischen« Anführungszeichen werden nach ihrem wahrscheinlichen Erfinder Guillaume Le Bé auch Guillemets (»kleine Willis«) genannt. Im Deutschen werden sie im Gegensatz zum Französischen und Schweizerischen »nach innen zeigend« verwendet, obwohl grundsätzlich auch nichts gegen die umgekehrte Verwendung spricht.
Ihr großer Vorteil gegenüber den Gänsefüßchen liegt darin, dass sie durch ihre Form weniger Luft um sich herum haben und somit keine störenden Löcher in den Text reißen. Das kommt dem typografischen Grundsatz eines möglichst ruhigen Satzbildes entgegen, so dass sie z. B. in Büchern der Quasi-Standard sind.
Um die Störung zu minimieren, empfiehlt Jan Tschichold gar die Verwendung von einzelnen Guillemets als primäre Anführungszeichen nach dem Schema ‹–«–»–›. (Schriften 1947–1974 Band 2, S. 185)
Beim Satz mit gebrochener Schrift sollten keine Guillemets verwendet werden.
Verschachtelung
Soll beispielsweise wörtliche Rede innerhalb eines Zitats dargestellt werden, greift man auf die einfache Variante des Anführungszeichens zurück. Auch hier haben die »französischen« Anführungszeichen einen Vorteil, da hier keine Verwechselungsgefahr mit Komma oder Apostroph besteht.
Andere Länder, andere Zeichen
Jedes Land hat seine eigenen orthografischen Besonderheiten, und an Details wie den richtigen landesspezifischen Anführungszeichen erkennt man den sorgfältigen Typografen. Wikipedia bietet eine gute Übersicht.
»Eselsbrücke für englische Anführungszeichen: 66 oben, 99 oben!«
Gern werden im Deutschen die doppelten Kodierungszeichen (»Zollzeichen«) fälschlicherweise als englische Anführungszeichen angesehen und dementsprechend durchgehen gelassen. Aber auch wenn die Position (vorne und hinten oben) die gleiche ist, sind die Zeichen im englischsprachigen Raum ebenso falsch wie hier. Die Eselsbrücke für die englischen Anführungszeichen ist genau anders herum wie die deutsche – 66 oben, 99 oben: Der Engländer öffnet, womit der Deutsche schließt.
Fremdsprachliche Zitate in deutschem Text
Kurze fremdsprachliche Zitate sollten dieselben Anführungszeichen wie der umgebende Text erhalten, wohingegen man längere Passagen ruhig mit den landesspezifischen Anführungszeichen versehen kann.
Alle gezeigten Zeichen sind keine Anführungszeichen; Der Doppelakut ist ein ungarischer Akzent, das doppelte Kodierungszeichen ist ein Überbleibsel der Schreibmaschine und außerhalb von Programmcode allenfalls als Ersatz für das schwer erreichbare und selten vorhandene Zollzeichen zu gebrauchen. Auch ein beliebter Fehler: Kleiner-als und Größer-als zweimal hintereinander als Guillemets benutzen. Autsch.
Anführungszeichen und optische Achsen
Eine durchgehende linke Achse beruhigt das Satzbild und trägt somit zur besseren Lesbarkeit eines Textes bei. Deshalb sollten öffnende Anführungszeichen, die diese Achse stören, besser außerhalb plaziert werden.
Anführungszeichen und Kerning
Gänsefüßchen sind durch ihre Form prädestiniert dazu, in Kombination mit anderen Buchstaben Löcher und Kollisionen zu verursachen. Deshalb sollte sichergestellt werden, dass der Font, den man verwenden möchte, sorgfältig gekernt ist; am besten mit dem Typefacts-Kerningtest.
PS: Vorne anführen, hinten abführen?
Statt »Abführungszeichen« sollte man laut Detailtypografie besser »Schlußzeichen« oder »Ausführungszeichen« sagen …
Weiterlesen im Web
- Andrea Alvermann: Auch Zeichen wollen übersetzt werden
- Matthew Butterick: straight and curly quotes
- Peter Glaab: Guillemets und andere Besonderheiten in der französischsprachigen Typografie
- SmartTypography (Chrome-Extension)
- Ten Tips for Top Type
- type.today Journal: Quotation Marks
- TypeTalk: To Hang or not to Hang…
- Typografie der Anführungszeichen bei Belles Lettres
- Typo Knowledge Base
- unnecessaryquotes.com
- we.type: Apostrophe & Anführungen